Schriften um jeden Preis?
Wenn ein Grafiker einem „Otto-Normalverbraucher“ mal erzählt, dass die Kosten für bestimmte Schriften leicht mehrere Tausend Euro betragen können, kommt als Reaktion meist nur ein verdutztes Kopfschütteln. Schliesslich hat jeder von sich aus Times und Helvetica auf seinen Rechner, weshalb sollte da z.B. die „Neue Helvetica“ sogar etwas kosten?
Hinter Schriften verbergen sich nicht nur eine Ansammlung von maschinellen Daten, es steckt auch die künstlerische Gestaltung und die Kreativität dahinter. Gute Zeichensätze besitzen für einzelne Buchstabenpaare einen gesonderten Ausgleich um z.B. den Abstand von „A“ und „V“ zueinander zu regulieren. Stellenweise werden Interpolationskurven herbeigezogen, um den Stärkegrat einer Schrift festzulegen. Manche Fonts haben so Entwicklungszeiten von mehreren Jahren. Wer mal auf die Idee gekommen ist, selber Hand anzulegen, weiss, welcher Aufwand sich dahinter verbirgt.
Klar – klein Erna von nebenan merkt wahrscheinlich den Unterschied zwischen Helvetica und Univers nicht so deutlich. Schriften sind das Handwerkszeug eines Kreativen und dieses benutzen sie im täglichen Alltag.
Eine gut gewählte Schrift, die nun mal nicht 08/15 ist, kann das Erscheinungsbild eines Unternehmens positiv aufwerten. Die Schrift wird als charakterischtisches Element gesehen und vermittelt einen gewissen Flair. Die spezielle Typografie sorgt daher für einen hohen Wiedererkennungswert.
Soll das nun etwa heißen, dass man sofort zum Telefonhörer greifen und „wie verrückt“ drauf los bestellen soll? Natürlich nicht – Typografie sollte sorgfältig gewählt und eingesetzt werden. Eine Technoschrift ist für eine Bäckerei sicherlich auffällig, aber nicht gerade zweckdienlich.
Man muss sich außerdem die Frage stellen: benötige ich eigentlich so viele Schriften? Grafiker sollten normalerweise in der Lage sein, mit einer Handvoll Fonts auszukommen. Die Klassiker wie z.B. Franklin, Garamond, Frutiger und Co. sind auch heute noch modern und haben sich im täglichen Einsatz bewährt. Aber wieso sollte man neuen „Typen“ nicht mal eine Chance geben – oftmals erhält man so neue Einblicke und Betrachtungsweisen. Auch das Internet bietet eine gute Möglichkeit nach unverbrauchten Fonts Ausschau zu halten. Unter den zahlreichen Free- und Sharewarefonts befinden sich eine Menge hochwertiger Exemplare – und einige kleinere Typefoundries verkaufen aus Kostengründen nur auf dem Onlineweg.